III. Das Armenhaus zu Loschwitz 1837 bis
1925
(Originaltexte kursiv)
1. Bemerkungen zu den Anfängen
Armenhäuser lassen sich seit dem 14. Jahrhundert
nachweisen [1]. In Armenhäusern lebten vor allem arme, ältere bzw.
kranke Menschen, die nicht mehr selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen
konnten. Sie erhielten dort einen Wohnplatz, Verpflegung und im
Bedarfsfall Krankenversorgung. Die Armenhäuser nahmen nur verarmte
Bewohner aus der eigenen Gemeinde auf. Finanziert wurden Armenhäuser in
der Regel durch Zuwendungen wohlhabender Bürger, sowie durch Zuschüsse
aus der Armenkasse.
Dazu erließ zum Beispiel August der Starke (1670 – Kurfürst/König 1694 -
1733) 1733 in Sachsen ein erneuertes
und geschärftes Mandat wegen Versorgung derer Einheimischen Armen
[2]. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass bei Strafe nur
einheimische Arme versorgt werden durften, dass besonders gegen das
Überhandnehmen fremder Bettler (… deren
Heymat über zwey Meilen entfernet …) in den Ortschaften
vorgegangen werden sollte.
1855 gab es im Bereich der Königl. Amtshauptmannschaft Dresden vier
Armenhäuser in Dresden und 136 auf dem Land. Die Einstufung der Bewohner
erfolgte nach Körper-
und Geistes- Beschaffenheit in
folgende Kategorien: Blinde, Taube
und Taubstumme, Lahme, Sonstige Gebrechliche; Bloedsinnige und
Irrsinnige. Unter Vormaliger Stand und Beruf der Armenhausinsassen
finden sich u. a. auch Eigenthümer und Handwerksmeister [3].
2. Die Gebäude – Grundstücke
Das Armenhaus von Loschwitz wurde 1833 im Historischen
Häuserbuch von Emil Wehnert [4] (Hausbaukonzession
für die Gemeinde Loschwitz zum Bau eines Armenhauses) an der
Steglichstraße 13 (früher Pferdeweg) genannt. 1839 wurde es auf diesem
Flurstück in das Gebäudeabschätzungsverzeichnis von Loschwitz als
Nachtrag mit der Brandkataster - Nr. 0 und der Flurstücksnummer 857
eingetragen [5]. Ab 1840 besaß Johann
Gottfried Enderlein dieses Grundstück.
1840 stand bei Wehnert das Armenhaus
der Gemeinde Loschwitz (Brandkataster- Nr`n. von
1784/1839/1860: 78/171/189) auf dem Grundstück an der Grundstraße 137
(heute „Schweizerhaus“, s. Bild 5), an der Ortsgrenze zu Bühlau (Ecke
Säugrundweg / Neugersdorfer Straße; früher, Grenzweg).
Dort stand ein Gebäude mit nur zwei Stuben, welches seit 1826 dem
Besitzer Johann Gottlieb Dohnig
gehörte. Dieser verkaufte 1837 das Grundstück/Gebäude, Parzelle 551a,
für 385 Taler an die Gemeinde Loschwitz [6], welche dort das Armenhaus
einrichtete.
1864 wurde vom Gemeindevorstand Kegel an der Rückseite des Gebäudes ein
Anbau von
einem Kohlenraum und Toiletten beim Gerichtsamt Dresden beantragt, damit
die Armenhausbewohner nächtlich nicht
den Aufseher bei ihren Bedürfnissen wecken brauchen und von innen dazu
gelangen können [7].
Die dazugehörige Bleistiftzeichnung (Bild 1) wurde von C.
Ehlich, Maurer Meister unterzeichnet. Im linken Teil ist noch
das 1837 erwähnte Gebäude mit nur 2 Stuben erkennbar [5]. Nach der
Personenbeschreibung von 1855 [11] (s. u.) müsste das hier gezeigte
Gebäude 8 Stuben (4 unten, 4 oben) gehabt haben.
1876 wurde ein geschätzter Wert von 2700 Mark im Vermögensverzeichnis
der Gemeinde für das Armenhaus eingetragen [8].
1890 dagegen hatte das Grundstück als Gemeindevermögen mit einer Größe
von 3,9 ar (390 m²) nur noch einen Zeitwert von 1500 Mark.
Der ebenfalls der Gemeinde gehörende, daneben liegende Steinbruch,
Parzelle 551b, hatte bei einer Größe von 21,4 ar (2140 m²) den Zeitwert
von 2000 Mark [8]. Diese Parzellen sind
1897 verschmolzen und mit 551 neu bezeichnet worden.

Bild 1. Das Armenhaus 1864 [7]
Aus dem Zeitwert von 1500 Mark kann geschlossen werden,
dass das Gebäude nicht gerade komfortabel gewesen war - Kaufpreis 1837
(s. o.) waren 385 Taler, das entsprach 1155 Mark.
Es wurde im Bauantrag für den Neubau des heutigen „Schweizerhauses“
(eines Armenversorghauses) vom
17. Mai 1892 durch Gemeindevorstand Weigert - als in
höchst baufälligem Zustand und infolgedessen sich kaum noch zum
Bewohnen eignet - beschrieben.
Im Bauantrag steht weiterhin, daß ein
hiesiger Einwohner, welcher seinen Namen verschwiegen haben will, ein
neues Armenhaus nach den beigehenden Plänen aus eigenen Mitteln zu
errichten sich entschlossen hat. … Da der betreffende Wohltäter
bedungen hat, daß das Gebäude noch in diesem Jahre fertigestellt
werden soll, mithin der Beginn des Baues beschleunigt werden muß
… . Für die Dauer der Bauperiode waren bereits andere Räume ermiethet
worden.

Bild 2. Das ehemalige Armenhaus 2011, Grundstraße 137
Dieses Gebäude (Bild 2) wurde vom Architekten
und Bauausführenden, F. Mehlig, bereits am 15. August
rohbaufertig zur Abnahme und am 28. Dezember vom Gemeindevorstand
Weigert als völlig vollendet
an die Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt gemeldet [7]. Am
25.Dezember 1892 konnte also das schöne, heute noch bestehende, vom nun
offenbarten Wohltäter Eduard Leonhardi (1828 - 1905), dem bekannten
Maler, Tintenfabrikbesitzer und Kunstmäzen (Bild 3, [9]), gestiftete
Gebäude, von der Gemeinde übernommen werden.

Bild 3. Der „unbekannte“ Wohltäter
Das Bau = Revisions
= Protokoll (3. Ingebrauchnahme ist zulässig) wurde am 14.
Januar 1893 von Richter, Brandvers .=
Inspector = Assistent unterzeichnet.
Im Vergleich zum Preis der über die Landesversicherungsanstalt des
Königreiches Sachsen kreditfinanzierten neuen Kinderbewahranstalt (s.
Kinderbewahranstalten) von 1901 in der Grundstraße 36 (ca. 45 000 M )
hat dieses Haus bestimmt etwa die gleiche Summe gekostet. Die Kosten
konnten bisher nicht gefunden werden; vielleicht wurde das vom Wohltäter
nicht gewünscht.
Das Haus hat Keller, Erd-, Ober- und Dachgeschoß. Außer im Keller
befanden sich in allen Geschossen Wohnräume, insgesamt acht Stuben und
14 Kammern.
Im Grundriss des (Bild 4) Erdgeschosses sind die Wohnung der
Aufsichtsperson mit Fenster zum Hausflur, die Gemeinschaftsküche mit
acht Kochherden, die Waschküche und die Aborte für Männer und Frauen
sowie fünf Wohnräume zu erkennen.

Bild 4. Grundriss des Erdgeschosses
Im Obergeschoß (Bild 5) mit dem schönen rundum
laufenden Balkon sind vier Stuben und sechs Kammern sowie Aborte
angeordnet. Stube und Kammer unterscheiden sich nicht durch ihre Größe,
sondern durch das Vorhandensein eines Ofens in der Stube.

Bild 5. Grundriss des Obergeschosses
1936 wurde „Eigentum der Stadt Dresden“, 1951 „Eigentum
des Volkes“ und 1953 der Rat der Stadt Dresden in das Grundbuch
(Rechtsträger Kommunale Wohnungsverwaltung) eingetragen.
Bis August 2013 war das Haus Eigentum der Stadt Dresden
(Liegenschaftsamt) und wurde von der STESAD GmbH als Wohnhaus verwaltet.
Danach wurde das Haus verkauft und ging für eine geplante
Mehrfachnutzung als Dentallabor der Zahntechnik Dresden GbR und
Wohnungen in Privateigentum über.
3. Die Personen
Loschwitz war durch den Erlass der Landgemeindeordnung
für das Königreich Sachsen (Gesetz vom 7. November 1838 [10]) eine
selbständige Landgemeinde geworden. Die einzelnen Ortsteile unterstanden
nun nicht mehr verschiedenen Ämtern des Stadtrates von Dresden und des
Königshofes, sondern der Königl. Amtshauptmannschaft Dresden.
Unter § 8, I Punkt 10 der Landgemeindeordnung wurde die Fürsorge
für Unterbringung der Wahn- und Bloedsinnigen, Hilflosen, Kranken und
Armen, der Gemeinde auferlegt. Das führte offensichtlich in
Loschwitz 1840 nach Inkrafttreten der Ordnung am 1. Mai 1839 zur
Einrichtung des o. g. Armenhauses.
Die folgenden Quellen berichten über das Leben im Loschwitzer Armenhaus
in den Jahren 1855 und 1856.
Der Gemeindevorstand Kegel informierte den Gerichtsrath
Vater vom Königl. Landgericht, Abt. IV, über das Armenhaus zu
Loschwitz, dessen Bewohner, deren Situation und Verhalten (die
Familiennamen … können im Original eingesehen werden) [11]:
Eingang 7. Nov. 1855
Das Gemeindearmenhaus wird von
folgenden Personen bewohnt, als:
1. a) Johann Gottlieb L..., 66 Jahre
alt
b) Johanne Sophie L..., 68 Jahre alt,
als Geschwister beide an Geisteskräften schwach, und nach allgemeinem
Ausdruck dumm, für dieselben wird von dem Hausbesitzer August Lehmann,
allwo dieselben ihre Herberge haben ein Miethzins von jährlig 2 rs
(Taler) bezahlt.
2. a) Frau Johanne Christiane verw.
N…, ist gebrechlich und überhaupt von Körper schwach, erhält aus der
Armenkasse Unterstützung an Geld und Brod ,und ist 56 Jahre alt
b) Jungfer Johanne Christine N…,
taubstummes Mädchen ohngefähr 30 Jahre alt, nährt sich von Scheuern
und Waschen bei fremden Leuten …
3. a) Johann Gottfried P…, Wittwer und
Handarbeiter mit fünf in diesem Hause wohnenden Kindern, deren Alter
5, 6, 9, 11 und 19 Jahre, …welcher auf dem Kammergut Döhlen als
Wächter fungiert, ….kommt selten nach Hause, und überlässt die
Erziehung seiner kleinen Kinder der älteren Tochter, und da derselbe
bei seinem Dienst frei Logis hat, so wäre es wünschenswerth, daß der
Vater seine Familie bei sich habe, wozu derselbe nochmals von mir
ermahnt worden, aber stets fruchtlos geblieben ist. P… ist noch rüstig
und ungefähr 51 Jahre alt, derselbe aber ist nicht zu bewegen gewesen,
einen wenigen Miethzins zu bezahlen.
4. a) Karl Gottlob G…, Handarbeiter
unverehelicht und 44 Jahre alt, ist träge zur Arbeit und geht oftmals
betteln, weshalb derselbe auch vom Königl. Landgericht schon bestraft
worden und auch gleichzeitig wegen Holzdiebstahls seine Strafen
verbüßt hat.
b) Karl August L…, Wittwer und
Handarbeiter, arbeitet zwar jetzt seit einiger Zeit ist aber mehr dem
lüderlichen Lebenswandel ergeben, daher derselbe wegen Diebstählen,
welche von ihm verübt worden sind, an Kleidungsstückn, Mobilien, Holz
und dergleichen, bestraft wurde, auch derselbe schon einmal
Arbeitshaus verbüßt hat, derselbe steht in dem Alter von 38
Jahren und ist gesund und kräftig.
c) Karl Gottlieb Sch…, Wittwer und
Handarbeiter und dem Trunk etwas ergeben, steht indem Alter von 56
Jahren, ist bloß zur leichten Arbeit, höchstens wenn demselben die
Noth dazu erfordert zu gebrauchen und wird das von ihm verdiente Geld
oft durch geistige und spirotese Getränke verthan,
daher auch sämtliche drei Individuen
mit schlechter Kleidung versehen sind, weil sie keinen Pfennig hegen
und sich nur in der Regel auf den Wohltätigkeitssinn anderer Menschen
verlassen, vielweniger ist von denselben ein Miethzins zu erlangen,
und sollen sie denselben in der Gemeinde abarbeiten, so erscheinen sie
gar nicht, wie dies hauptsächlich bei G… und Sch… der Fall ist
5. a) Karl Gottfried Schr…,
Handarbeiter und 37 Jahre alt, ist verehelicht und hat vier Kinder,
von denen eins 3, 6, 9 und 15 Jahre alt ist, dessen Ehefrau nährt sich
von Hader- und Knochensammeln u.s.w., deren genannter Eheman arbeitet
nur theilweise und ist derselbe einige Zeit in der Gemeinde auf Arbeit
gewesen, wo ihm während der Dauer derselben eine Wenigkeit des Lohnes
für Miethzins abgezogen, sonst ist von demselben auf eine andere Art
und Weise nichts zu erlangen.
6. a) Carl Gottlieb N…, 32 Jahre alt
und Handarbeiter ist verheirathet und hat noch zwei Kinder im Alter
von 4 und 8 Jahren, ist gesund und rüstig und arbeitet größtentheils
in Dresden, derselbe hat seit einiger Zeit fast durch Zwang eine
Wenigkeit an Miethzins bezahlt, welches ihm gleich vom Lohn
weggenommen worden ist.
b) Hermann G…, Handarbeiter 35 Jahre
alt, und unverheiratet, ist als lüderlich zu bezeichnen. Da derselbe
auf Arbeit geht und Lohn verdient, aber denselben nur vergeudet, da
derselbe mit Kleidung und Lagerstätte schlecht versehen, und an einen
Miethzins zu bezahlen bei demselben nicht denkbar ist als durch
strenge Mittel, und ist derselbe auch nicht zu bewegen wozu ich
denselben mehrmals aufgefordert habe.
7. Heinrich H…, Handarbeiter und 30
Jahre alt, ist verheiratet und hat zwei Kinder in dem Alter von 5 und
7 Jahren; derselbe arbeitet größtentheils in Dresden, kommt gewöhnlich
Sonnabend als Lohntag betrunken nach Hause, wo oft der größte Theil
des Lohns schon weg ist, und wenn ich denselben auffordere,
allwöchentlich eine Wenigkeit für Miethzins abzuzahlen, so wird mir
einfach geantwortet, die Zeiten seien schlecht …
8. Heinrich Christian K…,59 Jahre alt
und Handarbeiter, ist gesund und zum Arbeiten fähig, ist aber träge
zur Arbeit, daher derselbe sich auch nicht um Arbeit kümmert und eher
lieber fechten geht, wenn ich denselben zur Arbeit bestellt habe,
kommt er nicht,weil er weis, es wird ihm vom Lohn Abzug gemacht.
Derselbe ist zwar unverheirathet, lebt aber in wilder Ehe mit Johanne
Auguste B…, 40 Jahre alt und hat vier uneheliche Kinder, deren Alter
½, 4, 9 und 13 Jahre zählen, genannter K… welchen ich mit Kinderwarten
bei der B…n angetroffen, habe ich in eine andere Stube verwiesen, wird
aber von demselben nicht Folge geleistet, weshalb ich das geehrte
Gericht bitte, denselben zu belangen, und wegen seines Ungehorsams zu
verweisen.
Dieser Bericht wurde am 3. Dez 1855 an die Königl. Amtshauptmannschaft
Dresden geschickt. Im Begleitschreiben dazu bemerkt der Gerichtsrath
Vater
u.a.., daß außer der Mitgliedschaft in 12 Königl. Commissionen, die
Verwaltung von 86 Gemeinden mit 5 Pfarreien … auf zwei Schultern
gelegt worden sind. … Demnächst sind wir darauf bedacht, dem Bedürfnis
der Armen abzuhelfen, ohne diese ins Armenhaus aufzunehmen und lassen
denen, welchen Geld nicht anzuvertrauen ist, das Nöthige in Natura
verabreichen. … Oeffentliche Arbeiten giebt es weniger, und diese
werden stets mindesten versuchsweise benutzt die Arbeitsscheuen zu
beschäftigen. Leider fehlt es an Ort und Stelle an der gewünschten
Energie; die Furcht vor Feuerlegen (Brandstiftung) hemmt das kräftige
Durchgreifen. … gehen wir zu den Bewohnern des Armenhauses Loschwitz
über … und fügen die Versicherung hinzu, dass alle als Obdachlose
Aufnahme gefunden haben, mithin nicht ausgewiesen werden können, und
von Niemandem aufgenommen werden.
Bereits 1856 wurde auf Veranlassung Ihro
Majestät der Königin Maria (Maria Anna Leopoldine von Bayern,
1805 – 1877, Königin von 1854 bis 1873), sowie
auf deren Kosten eine Diakonissin nach Loschwitz abgeordnet um
die Armenhausbewohner zu überwachen
und die Kranken zu pflegen, nicht
minder die armen Kranken im Dorfe. Königin Maria hat sich außer
dem Vorgenannten in Loschwitz auch noch für die Schule und die
Kleinkinderbewahranstalt engagiert.
4. Die Armenhausordnung
Im Zusammenhang mit der Entsendung einer Diakonissin
verlangte die Königl. Amtshauptmannschaft Dresden die Aufstellung einer
Armenhausordnung und einer Instruktion für den Gemeinderat.
Aus der Armenhausordnung für Loschwitz, die 19 Punkte enthielt, sollen
einige Beispiele genannt werden:
1. Die Aufsicht über das Armenhaus und
die Durchführung der Armenhausordnung ist dem Gemeinderathe unter
Beistand einer Diakonissin übertragen, welche sich zugleich ihrer
Krankenpflege unterziehen wird. Diese Unterstützung haben die
Armenhausbewohner der allergnädigsten Fürsorge Ihrer Majestät der
Königin Maria zu verdanken. ... Nichtbeachtung dieser
Armenhausordnung, den Anordnungen des Gemeinderathes und der
Diakonissin sowie unehrbietiges Reden oder Benehmen gegen diese
Vorgesetzten wird unnachsichtig mit Arrest nach Befinden bei Wasser
und Brod sowie das Umhertreiben außerhalb des Armenhauses nach dessen
Schließzeit mit körperlicher Züchtigung bestraft.
2. Jeder Armenhausbewohner, welcher
sich noch in dem dienstfähigen Zustande befindet ist verpflichtet,
sich seinen Lebensunterhalt durch seiner Hände Arbeit zu erwerben und
ist man ihm, wenn der Verdienst ausreicht, ein billig mäßiger Zins für
das ihm gewährte Unterkommen zu entrichten, welcher man Gemeinderathe
nach befinden des Landgericht festgesetzt wird.
3. Kann er durch eigene Bemühungen
keinen Erwerb finden, so wird er auf Rechnung der Armencasse
beschäftigt, oder ihm Arbeit verschafft. Er hat sich dabei ohne
Widerspruch jeder Arbeit zu unterziehen …
4. Jeder Inwohner welcher seinem
körperlichen Zustande nach dazu fähig ist, hat das ihm zugewiesene
Quartier gehörig zu lüften und in reinlichem und
gesundheitszuträglichem Zustande, … , zu erhalten …
5. Jeder hat gleichermaßen sich und
beziehentlich seine Kinder an Körper und in der Kleidung rein und
ordentlich zu erhalten.
6. Die Kinder sind … in die Schule zu
schicken, vom Betteln abzuhalten und namentlich dazu nicht
auszuschicken. … Junge dienstfähige Personen werden im Armenhause
schlechterdings nicht geduldet, sondern weggewiesen und nach Befinden
der Obrigkeit angezeigt …
7. Keinem ist die Aufnahme anderer
nicht in das Haus gehörigen Personen gestattet.
8. Das Zusammenkommen der
Armenhausbewohner unter sich in der Stube des Einen oder des Anderen
ist nur mit Kenntnissen und jedes Mal einzuhaltender Genehmigung des
Gemeinderaths oder der Diakonissin gestattet.
11. Der Genuß geistiger Getränke ist
dem Armenhausbewohner sowohl in als auch außerhalb des Hauses streng
untersagt und nur solchen Personen welche vermöge körperlicher
Anstrengung bei ihrer Tätigkeit dessen bedürfen, ist es gestattet,
sich deren mit Mäßigkeit während ihrer Arbeit zu bedienen.
12. Das Besuchen der Schänke
ihrerseits ist ebenso ...
13. Das Spielen daselbst und im
Armenhause verboten.
14. Tabak zu rauchen ist nur denen
gestattet, welche sich über den von ihnen gewährten Miethzins ihren
Bedarf zu verdienen im Stande sind.
15. …Inventar … hat jeder
anwendungsgemäß zu gebrauchen …
16. etwaiges Versetzen oder Verkaufen
desselben unterliegen der Bestrafung nach criminalrechtlichen
Grundsätzen
17. Das Armenhaus ist in Winterszeiten
um 9. Uhr, in Sommerszeiten um 10. Uhr zu schließen, und muß
jeder Bewohner um diese Zeit im Haus eingetroffen sein. Zu längerem
notwendigen Außenbleiben … ist die Erlaubniß des Gemeindevorstandes
einzuholen.
19. Etwaige Beschwerden … sind beim
Landgericht anzubringen.
Als Instruktion erhielt der Gemeindevorstand Kegel am 11. Juli 1856
nachstehende Anweisung, woraus ebenfalls einige Passagen zitiert werden
sollen, um einen Eindruck vom Umgang der Obrigkeit mit der Landgemeinde
Loschwitz zu vermitteln:
Die beiliegende Armenhausordnung haben
Sie den Bewohnern des Armenhauses durch Vorlesen bekannt zu machen,
und dann im innern des Armenhauses auszulegen, damit sie jeder
einsehen kann, wozu alle von Ihnen aufzufordern sind. Sie haben dies
im Beisein eines Mitgliedes des Gemeinderathes auszuführen, darüber
ein Protokoll niederzuschreiben, und dasselbe alle Armenhausbewohner,
welche beim Vorlesen gegenwärtig sein werden, namentlich aufzuführen,
auch eine Abschrift dieses Protokolls an uns unverzüglich
einzureichen. … Jede Zuwiderhandlung ist ernstlich zu rügen und auf
die strengste Befolgung derselben zu dringen. Außer der Krankenpflege
wird die Diakonissin die Befolgung der Armenhausordnung überwachen.
Wird deren Erinnerungen Beachtung nicht geschenkt, so haben Sie oder
das diensttuende Gemeinderathsmitglied auf Verlangen sofort
einzuschreiten, die Unordnung beseitigen zu lassen, und ernstlich
dahin zu wirken, daß den Aufforderungen der Diakonissin … sofort und
unbedingt entsprochen werde. Da es Ihre Aufgabe ist … die Autorität
der Diakonissin zu begründen und zu erhalten, so haben Sie Ihre etwa
abweichende Ansicht nie in Gegenwart der Armenhausbewohner
auszusprechen, … ,damit zwischen Ihnen und der Diakonissin
Meinungsverschiedenheit, den Armenhausbewohnern gegenüber nie
hervortritt. In ähnlicher Weise haben Sie sich zu verhalten, wenn Ihr
Beistand von der Diakonissin bei einem kranken Amtsarmen in Anspruch
genommen wird.
5. Die Finanzierung
Die Finanzierung des Armenhauses erfolgte aus der
Armenkasse der Gemeinde, durch Stiftungsgelder und Spenden. In die
Armenkasse wurden u. a. festgelegte Anteile der Kosten von kirchlichen
Handlungen, von Besitzveränderungen,
öffentlichen Belustigungen und Schaustellungen, Jagt- und Angelkarten,
Schenkungen und Vermächtnissen eingezahlt. Fehlbeträge wurden,
wie auch für alle anderen Kassen, durch jährliche Festlegungen der
Steuern (Regulativ über die
Aufbringung der Gemeinde-, Parochial-, Schul- und Armen- Anlagen),
50% vom Grundbesitz und 50% vom Einkommen, ausgeglichen.
In den 1880er Jahren lagen die jährlichen, systematischen Einnahmen der
Armenkasse in Loschwitz bei etwa 5000,- Mark und die Ausgaben bei etwa
10 000 Mark, so dass ein Fehlbetrag von 5000 Mark jedes Jahr
ausgeglichen werden musste. Als Beispiel sind 1885 ausgegebene Mittel im
Folgenden aufgelistet: 2000 M für
Almosen, 300 M Unterstützung an Brot, 400 M an anderen Lebensmitteln,
150 M an Kleidung, Betten und Wäsche, 100 M an Heizungsmaterial, 72 M
Wohnungsgeld, 250 M Ziehgeld (Alimente), 500 M Schulgeld, 800 M Kur-
und Begräbniskosten, 2000 M für Pfleg- und Zöglinge in Heil- und
Versorgungsanstalten, 28 M Insgemein. Summa 6800 M.
6. Informationen aus Adressbüchern
Aus Adressbüchern zur Landgemeinde Loschwitz (seit
1883) konnten weitere interessante Informationen entnommen werden [12].
1899 … 1903: In der o. g. Wohnung im Erdgeschoß wohnte als
Armenhausverwalter der Schutzmann, Louis Meiselbach; 1906 … 1930 der
Schutzmann, später Polizei Ob. – Wachtmeister und Wohlfahrts – Polizei –
Kommissar i. R., Ernst Lässig, dessen Witwe Selma auch 1943/44 noch im
Dresdner Adressbuch aufgeführt ist.
Seit 1903 bis 1921 befand sich im Erdgeschoß auch eine Freibank (Verkauf
minderwertigen, aber nicht gesundheitsschädlichen Fleisches).
Zusätzlich wurde das Haus noch als Gerätelager für den Straßenbau der
Gemeinde genutzt.
Nach der Eingemeindung von Loschwitz nach Dresden - am 1. April 1921 -
wurde die Nutzung zu Wohlfahrtszwecken letztmalig im Adressbuch 1924/25
als „Armenversorghaus“ bekundet.
Heute wird das Gebäude als Wohnhaus und seit 2013 zusätzlich als
Dentallabor der Zahntechnik Dresden GbR genutzt.
7. Das Nachbarhaus

Bild 6. Grundstraße 135. Rechts im Schatten das Armenhaus
[13]
1897 kaufte die Gemeinde Loschwitz von Julius Robert
Fehre für 14 000 Mark auch noch das Nachbarhaus (Brandkataster- Nr
188, Grundstraße 135; 1988 abgerissen), wo damals der Straßenwärter
Schneider, der Laternenwärter Decker und der Gartenarbeiter Jentsch,
sicher alles Angestellte der Gemeinde, wohnten [12].
Literatur zu III
[1] Scheller, Benjamin, Memoria an der Zeitwende, Akademie Verlag
Berlin 2004.
[2] Friedrich August, König (August II.), Mandat wegen der
Versorgung der einheimischen Armen … , Hofbuchdrucker Stueßelin, Dresden
1733.
[3] Armenhäuser im Königreich Sachsen 1855 u.1858, Zeitschr. d.
Statistischen Bureaus des Kön. Sächs. Min. d. Innern Nr. 6. u.7 ,1861.
[4] Wehnert, Emil, Hist. Häuserbuch für Loschwitz, 1968/69,
Stadtarchiv Dresden, Sign. 17.2.6..
[5] Carl Wilhelm Müller, Gebäudeabschätzungsverzeichnis von
Loschwitz 1837, Sä. Hauptstaatsarchiv Dresden, Sign. 10 754, Nr. 2419.
[6] Grund- u. Hypothekenbuch … für Loschwitz Bd. VIII, 1848-1953,
Amtsgericht Dresden.
[7] Gemeinde Loschwitz, Armenversorghaus 1864, Stadtarchiv
Dresden, Sign. 10 Nr. 27665.
[8] Vermögen der Gemeinde Loschwitz, 1874-1898, Sä.
Hauptstaatsarchiv Dresden, Sign.10754, Nr. 2453.
[9] Künstler am Dresdner Elbhang I, Elbhang - Kurier - Verlag,
Dresden, 1999.
[10] Friedrich August (II., König ), Die Landgemeindeordnung …
Königreich Sachsen, A. F. Böhme, Leipzig 1839.
[11] Gerichtsrath Vater u. a., Das Armenhaus in Loschwitz, 1854, Sä.
Hauptstaatsarchiv Dresden, Sign. 10 754, Nr. 2463.
[12] Adressbücher von Dresden (von Loschwitz 1883-1889), Stadtarchiv
Dresden, SLUB Dresden.
[13] Griebel, Matthias, Loschwitz -Archiv