Entstehung und Tätigkeit des Frauenvereins zu Loschwitz bei Dresden
1850 bis 1934
von Helmut Dorschner

Inhaltsverzeichnis
1. Zum Anfang
2. Statuten /Satzungen
3. Die Finanzierung
4. Tätigkeit des Vereins
5. Einige Namen – Vorsitzende, Mitglieder, Spender
6. Versammlungsorte
7. Das Ende des Frauenvereins
    Literaturverzeichnis zu1. - 7.
Biografisches zur Loschwitzer Gründer- und Spenderfamilie Geyer
8. Emilie Geyer – Die „Schenkgeberin“ der Kinderbewahranstalt
9. Otto Geyer – Ein Landwirt von europäischem Rang
    Literaturverzeichnis zu 8. u. 9.

1. Zum Anfang
Der 1850 gegründete Loschwitzer Frauenverein gehörte zu den ersten stabilen Frauenvereinen auf deutschem Gebiet.
Die umfangreichen, fast lückenlosen Aufzeichnungen seiner 84järigen Geschichte im Loschwitzer Kirchenarchiv sind ein wertvolles Dokument der Zeitgeschichte bis 1934.

Frauenvereine hatten seit ihrer Gründung folgende zwei Orientierungen:
1. Karitative Tätigkeit (Sozialhilfe / Armenhilfe) und
2. Kampf um Frauenrechte (Gleichberechtigung – gleiche Rechte wie Männer).

So hatten der bereits 1791 in Dresden gegründete „Israelitische Frauenverein“ und der 1814  gegründete christliche „Frauenverein zu Dresden“ erstere Zielstellung [1, 20].
Dagegen hatten der 1849 in Dresden gegründete - revolutionär - demokratisch orientierte - „Frauenverein zur Unterstützung hilfsbedürftiger Familien“ [20] und der 1865 in Leipzig gegründete - um Frauenrechte kämpfende, politisch orientierte – „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“ letzteres zum Ziel .
Im Rahmen der 1832 - anlässlich des 200. Todestages des Schwedenkönigs Gustaf Adolf II. und der Not leidenden böhmischen Protestanten – in Leipzig entstandenen und heute noch bestehenden „Gustav - Adolf – Stiftung“ hatten sich 1851 in Berlin auch zwei Frauenvereine gebildet [2].

Nachdem 1848 in Paris revolutionäre Ereignisse stattgefunden hatten, wurden auch im Königreich Sachsen lange bestehende Forderungen nach bürgerlichen Freiheiten erhoben. In der Erklärung der Bürgerversammlung in Dresden vom 7. März 1848 steht unter „Diese Wünsche sind: … 3. Freiheit des Versammlungs- und Vereinsrechtes“. Die erste Maßnahme, des am 16. März neu gebildeten „Märzministeriums“ war dann auch die Gewährung der Vereins- und Versammlungsfreiheit [3].
Aber damit war die Unzufriedenheit in großen Teilen der Bevölkerung nicht beseitigt, so dass es im Mai 1949 in Dresden zum bewaffneten Aufstand kam, der mit Hilfe preußischer Truppen brutal niedergeschlagen wurde. An den Kämpfen hatten auch Persönlichkeiten wie Richard Wagner (1813 - 1883) und Gottfried Semper (1803 -1879) auf Seiten der Aufständischen teilgenommen.

In diesem Umfeld lebten der Rittergutsbesitzer, Ökonomierat Carl Friedrich Otto Geyer (1795 - 1872) und seine Frau Emilie Adolphine verehel. Geyer, geb. von Geusau – Trebra, in  Loschwitz. Der Geyer`sche Grundbesitz lag im Weinbergsgelände am Stadtweg und am Raken, neben dem Besitz von Joseph Hermann (1800-1869, [11]) - heute Schillerstr. 12 und Leonhardistrasse 1 [4, 5]. In Dresden hatten Geyers eine Guanohandlung und eine Winterwohnung. Geyer, deutschlandweit bekannt durch sein Verdienst um Einführung der künstlichen Düngemittel, insbesondere des Peru-Guano und des Knochenmehls [6], hatte als Abgeordneter (2. Kammer, von 1843 bis 1851) auch am 21. Mai 1848 an dem außerordentlichen Landtag teilgenommen, an welchem der König (Friedrich August II., 1797/1836 - 1854) sich erstmalig ins Landhaus zu begeben hatte, da der Landtag nicht mehr wie bisher im Schloss stattfand.

Noch vor den o. g. Frauenvereinen in Berlin und 15 Jahre vor dem Allgemeinen Deutschen Frauenverein in Leipzig hatten in Loschwitz zwei aktive, aufgeschlossene Frauen, nämlich die o.g. Emilie Geyer und Emilie Preißler, die Besitzerin des „Kanzleigutes Weißer Hirsch“, die gewonnen Freiheiten sofort genutzt und den „Frauenverein zu Loschwitz“ gegründet, um vorhandene Missstände zu mildern bzw. zu beseitigen.
Sie gründeten „im Spätjahr von 1850 den Frauenverein zu Loschwitz“ [7] aus folgender Veranlassung (in späteren Unterlagen tauchte irgendwann 1851 als Gründungsjahr auf, was dann auch fälschlicher Weise bis zum Ende beibehalten wurde):
„Die Wahrnehmung wie in Loschwitz eine große Anzahl Kinder, von denen viele die sichtbarsten Zeichen der Verarmung an sich tragen, außer den Schulstunden den übrigen Theil des Tages sich selbst überlassen im müßigen Herumtreiben auf den Dorfplätzen zubringen, … lässt es als dringendes Bedürfnis erscheinen in diesen Kindern … Lust und Liebe zur Arbeit, sowie den Sinn für Sittlichkeit zu erwecken“ [7].
Im folgenden sind einige Originalauszüge aus dem ersten Statut des Vereins von 1850 einschließlich der damaligen Mitglieder aufgezeichnet:
„Der Verein nimmt folgende Feststellungen als Statut an:
§ 1. Der Verein besteht aus wirklichen und Ehren – Mitgliedern
Wirkliche Mitglieder sind diejenigen, welche durch ihren Beitritt sich zur persönlichen statutmäßigen Mitwirkung am Unterricht verpflichten
Ehren – Mitglieder des Vereins sind diejenigen, welche sich zu einem jährlichen Beitrage von mindestens --- 15gl --- (---Thaler -15 Groschen ---Pfennige) zu Vereinskasse verpflichten
§ 2) Die wirklichen Vereinsmitglieder verpflichten sich, dass je Drei aus ihre Mitte, und zwar unter Beitritt einer der älteren Frauen sowie einer stätig angestellten, monatlich mit Einem Thaler aus der Kasse des Vereins zu salirenden (bezahlenden) Lehrerin, den Unterricht an den dazu bestimmten Tagen 2. bis 5. Uhr Nachmittags nach einer zu ordnenden Reihenfolge zu übernehmen haben.
§ 3) Der Unterricht beschränkt sich auf das Stricken, Nähen sowie auf das Wäsche - Zeichnen und es soll dabei diejenige Fertigkeit als Zielpunkt dienen, welche in einer Haushaltung zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sparsamkeit erforderlich ist. Im Stricken soll daher die regelrechte Fertigung eines ordinären Strumpfes, im Nähen das sorgfältige Ausbessern von Wäsche und Kleidungsstücken, sowie das Zuschneiden und Fertigen eines gewöhnlichen Hemdes als Endziel betrachtet werden.
§ 4) Der Unterricht wird den Kindern unentgeldlich gewährt … .
§ 5) Die Aufnahme von Kindern in den Unterricht bedingt, dass solche das 8 te Jahr zurückgelegt haben und findet zu Ostern und Michael (29. Sept.) statt [7]
§ 6) Die Theilnahme an dem Unterricht bleibt im Allgemeinen 2. Jahre gestattet …
§ 7) Kinder welche durch wiederholte Ermahnungen nicht zum Fleiß … werden ausgewiesen.
§ 8) Geschenke an Geld und Kleidungsstücken … werden dankbar angenommen …
§ 9) (letzter)  - Es bleibt Vorbehalt dieses Statut …dessen Erforderung gemäß zu erweitern und nach Befinden abzuändern.
Mitglieder des Vereins:
Oekonomieräthin Geyer (Vorsitzende/Vorsteherin, bis 1864), Madame Preißler, (Vice Vorsteherin/ Vorsitzende, bis 1867), Frau Dr. Burk, Frau Cantorin Wegerich, Fräulein Julie Kretschmar, Frl. Thekla von Fritzsch, Frl. Liddi von Kretschmar, Frl. Clothilde von Kretschmar, Frl. Emilie Preißler, Frl. Sidonie Preißler, Frl. Laura Wegerich, Frl. Adelheit Kretschmar, Rechnungsführer Herr Cantor Wegerich [11] (bis 1866 )“ [4,7].

Die Arbeit der Frauenvereine erhielt - aber nur - als Träger und Gründer von Kinderbewahranstalten, damals in Sachsen Unterstützung, Anregung und Förderung von höchster Stelle, den Königinnen. Während Königin Maria (1805 – 1877, s. auch Abschnitt II.4.) sich bereits bei der Gründung des Frauenvereins von Dresden verdient gemacht hatte, haben sich auch ihre beiden Nachfolgerinnen dort und in nahegelegenen Dörfern für die Arbeit der Frauenvereine engagiert.
Anfangs stellte in Loschwitz die Stifterin, Frau Geyer, ihre Wohnung zur Verfügung. Nach einem Jahr mussten auch die „Behausungen“ der anderen Mitglieder mit genutzt werden, später konnte noch in einer Schulstube an zwei Nachmittagen der Woche von „2 bis 5 Uhr“ gearbeitet werden.

2. Statuten / Satzungen

Die Statuten des Vereins wurden im Laufe der Jahre immer umfangreicher. Die Paragraphen wuchsen von 9 bis auf 23 an, was auch die Stabilität des Vereins und das Wachsen der Tätigkeitsfelder zunächst von Schulkindern über Kleinkinder, Jugendliche bis hin zu allen Gemeindemitgliedern ausdrückte.

Am interessantesten ist sicher die Entwicklung des Paragraphen „Zweck des Vereins“ und deren Anzahl zu beobachten:
●1850, in 9 Paragraphen war keiner über den Zweck enthalten (s. o.).
●1868 gab es bereits 17 Paragraphen, davon vier für die Kinderbewahranstalt (s. Abschnitt V.). 1. Paragraph: Der Frauenverein … bezweckt die Förderung des körperlichen wie sittlichen Gedeihens der Jugend, insbesondere der weiblichen … .
●1878, waren es schon 21 Paragraphen. 1. Paragraph: … bezweckt Fürsorge und event. Pflege für solche Gemeindemitglieder, welche sich in leiblichem oder sittlichem Nothstande befinden und sorgt für die Heranbildung der Jugend zu nutzbringender Thätigkeit.“
●1893, 22 Paragraphen. „1. Paragraph: … bezweckt Fürsorge und nötigenfalls …“ (wie 1878)
●1913, Die letzte Satzungen (Statut). 1. Paragraph: wie 1893

Nach den eingangs beschriebenen Festlegungen des ersten Statutes des Vereins lag seit 1886 ein öffentlich in der „Zeitschrift für Verwaltungspraxis und Gesetzgebung“ staatlich bestätigtes Statut vor [19]. Im Bestätigungsdekret dazu wird aber ausdrücklich festgehalten, dass dem Vereinsdirektorium drei Damen und zwei Herren angehören, von den Damen mindestens eine selbständig sein musste, „denn der völlige Verzicht auf eine männliche Flankierung konnte jedoch den Amtsunwillen heraufbeschwören und Projekte zum Scheitern bringen“ [8].
Dieses von der Hofbuchdruckerei Meinhold u. Söhne gedruckte Statut enthielt, wie bis 1893 alle weiteren, mit geringfügigen Änderungen einen „Vorbericht“ , der inhaltlich dem eingangs genannten Text zur Begründung Vereins entsprach.
Hier noch einige Originalauszüge aus dem Statut von 1868:
§ 1. Der Frauenverein … bezweckt die Förderung des körperlichen wie sittlichen Gedeihens der Jugend, insbesondere der weiblichen …
§ 2. Der Verein besteht aus ordentlichen, thätigen und stimmberechtigten Mitgliedern und aus Ehrenmitgliedern …
§ 3. Die Aufnahme von Mitgliedern erfolgt … in der Versammlung des Directorii …
§ 4. Die Mitglieder wählen aus ihrer Mitte ein … Directorium von fünf Personen auf drei Jahre. Dasselbe besteht aus drei Damen und zwei Herren, welchen letzteren die Function eines Cassirers und Secretärs oder Protokollführers … zuzutheilen ist. Die fünf Directorialmitglieder wählen aus den drei … Damen eine Vorsteherin und eine Stellvertreterin … Der Cassirer … vertritt in Gemeinschaft mit dem Secretär den Verein nach außen … allein alle für den Verein … vor Gerichtsbehörden zu bringende Urkunden.
§ 11. Die Wirksamkeit des Vereins erstreckt sich
A. auf die Haltung einer Nähschule und Ertheilung von Unterricht im Stricken, Nähen, Ausbessern und Wäschezeichnen an diejenigen Schulpflichtigen Mädchen, welche zu den Gemeinden von Loschwitz und dem Weißen Hirsch gehören und das achte Lebensjahr zurückgelegt haben.
§ 18. Als eine Zweigstiftung beabsichtigt der Verein versuchsweise
B. eine Kleinkinderbewahranstalt zu begründen …
§ 21. (letzter §)
Dieses Statut wurde von 20 Mitgliedern unterschrieben.

1878
Nach Aufgabe der Kinderbewahranstalt 1870 und Erlass des neuen Schulgesetzes von 1873, hatte sich, wie oben erwähnt, die Orientierung des Vereins geändert, so dass 1878 ein neues Statut verfasst werden musste, dass „unter dem 9. Februar 1878 die obrigkeitliche Genehmigung erlangt hat“ (Druck, A5 – Heft, von F. Albanus in Dresden) [9].

Wie aus den neuen Statuten ersichtlich ist, erfolgte die Betreuung und Schulung von Mädchen in Handarbeiten für den Haushalt, auch noch nach 1878 , obwohl im Schulgesetz von 1873 bestimmt wurde, dass die Gemeinden auf ihre Kosten in den sächsischen Schulen diese Unterrichtung - in Handarbeiten - einzuführen hatten [4].

In der „Generalversammlung“ am 11. Juni 1880 wurde dann doch die Aufhebung der „Strickschule“, mit der Orientierung, diese Tätigkeit weiter in der Schule zu unterstützen, auf Ostern 1881, beschlossen.

3. Die Finanzierung
Die Finanzierung der Arbeit des Frauenvereins erfolgte anfangs nur auf Basis von Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Ab 1851 wurden vom „Rechnungsführer“ C. G. Wegerich (Kantor), Einnahmen und Ausgaben auf den Pfennig genau in Büchern eingetragen.
So war im dritten Jahr des Bestehens, Anfang 1852 ein Bestand von 26 Groschen (ab 1841 entsprach 1Taler 30 Neugroschen, vorher 24 Groschen) vorhanden. Am Jahresende waren 97 Taler und 16 Groschen eingenommen und davon 53 Taler und 11 Groschen ausgegeben worden, so dass am Jahresende bereits ein Überschuss von 44 Talern und 5 Groschen vorlag.
Am 27. Dezember 1856 hatte der Frauenverein bereits ein Vermögen von 305 Talern, 12 Groschen und 1 Pfennig. Es setzte sich aus 100 Talern ausgeliehenes Capital (5%), 100 Talern Obligationen (3%), die vom Münzgraveur Krüger gespendet waren, drei Pfandbriefen von je 25 Talern (3 2/3 %) und dem Kassenbestand von 30 Talern,12 Groschen und 1 Pfennig zusammen. 1864 wurden schon 292 Taler und 9 Pfennige eingenommen und 274 Taler, 15 Groschen ausgegeben.
Unter den ersten Geldgebern fanden sich viele bis heute in Loschwitz bekannte Namen, wie z. B. Ihro Majestät die Königin Marie (jährlich 2 mal 6 Taler, zur Besoldung der Lehrerin), die gerade auf Schloß Albrechtsberg (bzw. nebenan in der Villa Stockhausen) eingezogene Gräfin von Hohenau [10] (jährlich 12 Taler, 1853 Einen Doppellouisdor = 11 Taler und 10 Groschen), Ökonomierat Geyer (jährlich 5 Taler), ein Herr „XYZ“ aus Dresden (2 Taler), Oberforstmeister von Erdmannsdorf, Herr Münzgraveur Krüger, Herr Gutsbesitzer Karisch, Herr Demnitz, die Gemeinde Wachwitz, Maurermeister Ehlich … . Anfänglich waren es pro Jahr 15 bis 30 Beiträge.
Seit 1856 sammelte der Hausbesitzer Herr Schulze in einer Einzelaktion (genannt „Umgang“) jährlich im Sommer eine größere Summe bis zu 30 Talern; bei maximal 51 Spendern von kleineren Beträgen - 2 Groschen bis 3 Taler.
Interessant ist auch, dass auch Einnahmen durch Losverkäufe und Konzerte erzielt wurden.
Als Beispiel für das Ansehen und die hochkarätige Unterstützung soll folgendes Schreiben zitiert werden:
„Zum Besten des Frauenvereins zu Loschwitz wird unter gütiger Mitwirkung der nachgenanten Damen und Herren:
Fräulein Marie Wieck (1832 – 1916, [11]) aus Dresden,
Fr. Marie Krebs, Tochter des Herrn Capellmeisters Krebs in Dresden,
Frau Risse aus Berlin,
Herr Boht, Hofschauspieler aus Berlin,
Herr Ferenzi, Hofopernsänger aus Berlin
Herr Stolzenberg Hofopernsänger aus Carlsruh
Herr Alexander Dorn aus Cairo
Ein Vocal- und Instrumentalconcert unter Leitung des Herrn Capellmeister Dorn (Heinrich, 1800 – 1892, [11]) an der königlichen Oper zu Berlin, im Saale des Herrn Borrmann (Restaurant „Unterer Burgberg“, späterer Ratskeller), Donnerstag den 24ten July Abends 7 Uhr stattfinden.“ [12] (betr. wahrscheinlich das Jahr 1879)
Die Einnahmen stiegen ständig, so dass ein Vermögen entstand, das zur weiteren Vermehrung zinsgünstig angelegt werden konnte. Es entwickelte sich durch Mitgliedsbeiträge (233 Mitglieder im Jahr 1911), Verkauf des Grundstücks Friedrich-Wieck-Straße 7 an die Kinderbewahranstalt im Jahr 1877 (10 500,- Mark), Spenden (z. B. 1873 nochmals die Gründerin, Emilie Geyer 200 Taler = 600,- M), größere Zuwendungen wie Erbschaftsbeteiligungen (z. B.1911, die verstorbene Frau Leonhardi vererbt 1000,- Mark), Legate und Zinserträge. So war 1894 schon ein Vermögen von 16 376 Mark vorhanden. Es stieg weiter systematisch an. Ein Maximalwert wurde 1921, in der schon seit 1914 laufenden Inflationszeit, mit 29 871 Mark auf drei Sparkassebüchern, erreicht. Unmittelbar danach stürzte es bis 1928 auf 660 Mark ab und erholte sich bis zur Auflösung des Vereins 1934 wieder bis auf 4916 Mark.
Einahmen wurden auch durch Verkauf von Handarbeiten aus der „Nähschule“ erzielt.
In normalen Zeiten gelang es, Dank der guten Arbeit der Kassierer, meistens die Finanzen so zu steuern, dass die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben immer eine kleine positive Summe ergab und das Vermögen langsam wuchs.

4. Tätigkeit des Vereins
Der Frauenverein entwickelte sich neben der Ev. – Luth. Kirche, dem Armenhaus und der Kinderbewahranstalt zu einer der wichtigsten sozialen Einrichtungen in den Gemeinden Loschwitz und Weißer Hirsch (bis 1916). Nachdem zunächst nur die kleinen, acht bis zehn Jahre alten Schulmädchen die Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, weitete sich im Laufe der Jahre der Blick auf alle hilfsbedürftigen Personen in den eigenen Gemeinden, wie arme, kranke, alte, wohnungslose … Gemeindemitglieder aus.
So wurden an arme Konfirmandinnen und Konfirmanden Stoff für Kleider, Schuhe und Bargeld gegeben, Personen bei der Wohnungssuche geholfen, Rollstühle gekauft und verliehen.

Aus der umfangreichen Hilfstätigkeit sollen hier nur einige wenige Beispiele aufgeführt werden:
Im Jahr 1868 mit eigenem Haus (1865 bis 1877) wurden in der „Näh- und Strickschule“ des Frauenvereins zu Loschwitz folgende Sachen gefertigt:

„A für den Verein:
33 Frauen- und 2 Männerhemden, 5 Barchent - Jäckchen, 41 Paar Strümpfe
B für das Haus:
17 St. neuer Hemden, 87 St. Hals- und Taschentücher, 44 St. Schürzen
3 St. Handtücher, 4 Kaffeesäcke, 8 gr. Hemdärmel, 4 Bettbezüge, 3 Jüpchen
3 Stuhlkappen, 2 Kopfkissen 2 Nachthauben, 1 Kniesack
ausgebessert: 10 Hemden, 1 Jäckchen
gestrickt: 49 Paar Strümpfe, dsgl. 52 Paar angestrickt“ [12].

Diese Kleidungsstücke verschenkte man auch an bedürftige Personen. In zwei Dankesbriefen von 1868 und 1909 schreibt Carl Reintanz im ersteren „ Edle fromme Frauen! Sie beschenkten mich mit einem neuen Hemde … schon mit Bangen blickte ich in die allernächste Zukunft, wo ich nur im Besitze eines einzigen Hemdes sein würde …“ [12].
In der letzten Versammlung im Jahr wurde meistens eine Christbescherung für bedürftige Personen, Kinder und Erwachsene, mit Festlegung der Namen und Geschenke beschlossen; so beispielsweise am 22. November 1888 für 49 Personen oder 1920 wurden 1000 Mark für die Weihnachtsbescherung ausgegeben.

Von 1865 bis 1870 wurde vom Frauenverein auch eine Klein – Kinderbewahranstalt  für Kinder ab dem 2. Lebensjahr bis zum Eintritt in die Schule betrieben, dazu hatte die Gründerin, Emilie Geyer, 1864 das Hausgrundstück, heute Friedrich-Wiek- Str 7, für 2800 Taler gekauft und es 1865 dem Frauenverein geschenkt.
Diese Kinderbewahranstalt war wegen Überlastung der Betreuerinnen vom Frauenverein 1870 wieder aufgegeben worden, wurde aber Anfang 1871 vom Pastor Julius Alfred Kretschmar und seiner Frau Marie „auf´s Neue in die Hand genommen“ [4], so dass sie am 1. Mai in den o. g. Gebäuden wieder eröffnet werden konnte [13,14].
Ostern 1874 musste die Kinderbewahranstalt wegen Unstimmigkeiten mit dem Frauenverein das Grundstück nebst Garten räumen.
1877 wurde es dann vom Frauenverein an die Kinderbewahranstalt von Loschwitz, für 10500 Mark verkauft [15] (s. abschnitt V.1. und 2.).

1874 schrieb sogar die Königin Marie (Anna Leopoldine von Bayern, 1805 – 1877) an das „Gesamt – Directorium“ des Vereins und bat darum, dass „dem Schumacher Karl Gottlieb Marx und der ledigen hochbetagten Rosine Tiebel, die ihnen miethweise überlassene Wohnung in dem frauenvereinseigenen Grundstück … auch fernerhin überlassen werde“ [12].

1914 wurden 1000 Mark zur „Kriegsbeihilfe“ gespendet. Während des 1. WK (1914 – 1918) betrieb der Verein die Kriegsvolksküche Loschwitz; dazu eine Eintragung vom November 1918: „ …die Volksküche kann glücklicherweise weitergeführt werden, da Kartoffeln eingegangen sind …“ [16].

Es konnten auch andere Hilfswerke unterstützt werden, wie z. B. 1925: 15 Mark (M) für Krüppelhilfe, 15 M Landesverein Christlicher Frauendienst, 15 M Magdalenenhilfsverein, 15 M Zentrale für Jugendfürsorge, 50 M Gemeindediakonie, 50 M Kinderbewahranstalt.

1920 wird auch vom Frauenverein Protest gegen die Zwangseingemeindung der Gemeinde Loschwitz nach Dresden erhoben.

Während des 1. WK gründeten die Mitglieder vom Weißen Hirsch ihren eigenen Frauenverein. Die von Pfarrer Ludwig gewünschte finanzielle Abfindung aus dem Loschwitzer Vereinsvermögen (23 323 Mark) wurde am 8.Mai 1916 mit 11 von 36 Gegenstimmen abgelehnt [14].
Zeitweilig (z. B. 1911) hatte sich der Verein auch „… zu Loschwitz – Weißer Hirsch“ genannt.

5. Einige Namen: Vorsitzende, Mitglieder, Spender
Im Folgenden sollen noch außer den bereits genannten einige wichtige Personen / Namen mit vorgefundenen Jahreszahlen aufgezählt werden, die aus dem umfangreichen Textmaterial willkürlich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit entnommen wurden.

Damen,Vorsitzende (auch bedeutende Spender)
Fr. Oeconomieräthin Emilie Adolphine Geyer (ab 1850)
Madame Emilie Preißler (ab1864)
Fräulein Emilie Preißler (ab 1867)
Fr. Marie Gäbler (…1874)
Fr. Prof. Apoline Leonhardi (… 1869 und 1875 - 1877)
Fr. Dressler (1878 - 1881)
Fr. Hofräthin Hofmann – Stirl (1881 - 1893)
Frl. Berta Starke (… 1907 …)
Fr. Sanitätsrätin Dr. Clara Kahleys (… 1913 …)
Fr. Pfarrer Olga Schulz (… 1925 …)
Fr. Elisabeth Neuer (… 1934)

Herren, Sekretäre bzw. Schriftführer / Kassierer bzw. Rechnungsführer, die auf ausdrückliche Anordnung gemäß des Innenministeriums von 1868 (s. o. § 4.) das Alleinvertretungsrecht des Vereins „nach außen“ hatten.

Cantor Carl Gottlob Wegerich (1795 – 1881, ab 1850 [11])
Kantor Friedrich Wilhelm Pohle (1830 – 1892, ab 1866 … [11])

Kaufmann Johann Benjamin Gäbler (…1867)
Mehner (1875 – 1893)
Schuldirektor Alwin Zimmer (…1913)
Pfarrer August Thonig (…1913)
Pfarrer Richard Schulz (…1915)
Pfarrer Arno Michael (…1934)
Steuerinspektor Oscar Gräfe (…1934)

Mitglieder - (auch Spender) einige heute noch bekannte Namen
Alles Frauen: Kaufmann Borsdorf, mehrere Demnitz, Kammersänger Degele, Kunstmaler Hegenbarth, Freifrau v. Hausen, Schriftsteller Kalkschmidt, Gutsbesitzer Eichler, Gutsbesitzer Karisch, Kaufmann Mühlberg, Anna Schnorr von Carolsfeld, Konsul Wunderlich (Eckberg), Hofgärtner Neumann, Dr. Teuscher, Prof. Prell, Fuhrwerksbesitzer Kunath, Geheimrat von Lossow, Prof. Felix Müller, Baumeister Pietsch, Hofrat Schluttig, Oberstudienrat Dr. Stürenberg, Bäckermeister Winkler, Schneidemühlenbesitzer Weigelt u.v. a. m.

Herren: Kunstmaler Vogel, General von Hagen …

Spender, die nicht Mitglieder des Vereins waren; mehrere aus Dresden, sogar Berlin wurde genannt:
Münzgraveur Krüger, Ihro Majestät die Königin Marie, Thekla von Souchay, Gräfin von Hohenau, Hofgärtner (Schloss Albrechtsberg) Neumann, Oberforstmeister v. Erdmannsdorf, Frau Bormann (Hotel Burgberg), Ihro Excellenz Frau Ministerin von Werther, Frau Pastor Kretschmar und Frl. Tochter, Frau Buchhändler Brockhaus u. v. a. m. Auch „Schulmädchen“ befanden sich unter den Spendern.

6. Versammlungsorte
Als Veranstaltungsorte für größere Versammlungen wurden anfangs das Hotel Demnitz, danach der Ratskeller, die Gartenhalle des Ratskellers und von an 1922 die Kinderbewahranstalt (das heute noch bestehende Kirchgemeindehaus, Grundstrasse 36) genutzt (s. Abschnitt 4.).
Zum 70jährigen Stiftungsfest am Montag, den 14. November 1921 (eigentlich das 71., s. Abschnitt 1.) wurde ins „Berggasthaus Burgberg“ eingeladen.

7. Das Ende
Das Ende des Frauenvereins von Dresden – Loschwitz wurde, beginnend schon 1933, in dramatischer Weise am 26. April 1934 in zwei Hauptversammlungen herbeigeführt. [16].

Es begann mit satzungsgemäßer Änderung der Statuten am 11. Mai 1933. Gleich in der ersten Hauptversammlung des Jahres - nach der im Januar erfolgten Machtergreifung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP - 1933-1945) - wurden die seit 1913 bestehenden, bewährten Statuten des Vereins wie folgt geändert, um der drohenden Gefahr der Einbeziehung in das NS – System zu entgehen :

In § 1. - Charakter und Zweck des Vereins -, wurde neu eingefügt „ist ein kirchlicher Verein“, in § 12. - Verwaltung des Vereins -, neu „3. dem jeweiligen Pfarramtsleiter als Kurator … der Kurator vertritt den Verein gegenüber den Behörden …“.

Der Schriftführer, Schuldirektor Max Grunewald, beschrieb den Beginn dieser Versammlung in rührender Weise: „Nach Gesang des Liedes: Wir sind die zarten Reben und anschließender gehaltvoller, herzandringender und gewissenschürfender Ansprache des Herrn Pfarrer Schulz, eröffnete die Vorsitzende, Frau Pfarrer Schulz, … die Hauptversammlung …“. Der Inhalt dieser dramatischen Ansprache hatte sicher etwas mit dem, was sich in Deutschland ankündigte, zu tun.
In einer außerordentlichen Hauptversammlung am 1. März 1934 wurde im § 3. - Bereich des Vereins – „Gemeinde Loschwitz durch „Kirchgemeinde Dresden – Loschwitz“ ersetzt, im § 22. – Auflösung des Vereins -  wurde „von allen anwesenden Mitgliedern“ durch „wenigstens ¾ der anwesenden …“ und „das Vereinsvermögen … zur Weiterführung der → Kinderbewahranstalt zu Dresden – Loschwitz … solange die ev. – luth. Kirchgemeinde den maßgebenden Einfluss auf diese hat“.
Die Mitglieder des Vereins erkannten mit Weitsicht, dass sie in diesem verbrecherischen System mit ihrem christlich humanistischen Vorhaben keine Chance hatten, zu überleben, so dass nur die Auflösung in Frage kam.
Dazu fanden nun am 26. April 1934 zwei gut vorbereitete Versammlungen im Kirchgemeindehaus, Grundstraße 36, statt. 61 Mitglieder waren erschienen. In der Hauptversammlung abends „ ¾ 8 Uhr“ wurden Pfarrer Arno Michael und seine Frau Marianne einstimmig in das Direktorium des Vereins gewählt und das Direktorium wurde ermächtigt, über das … noch vorhandene Vermögen nach eigenem Ermessen zu verfügen (neun Unterschriften).

Gleich anschließend fand „ ½ 9 Uhr“ noch eine - satzungsgemäß am 21. April im „Dresdner Anzeiger“ bekannt gemachte - außerordentliche Hauptversammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt – Auflösung des Vereins und Löschung im Genossenschaftsregister – statt. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Damit war die 84jährige segensreiche Arbeit des Frauenvereins zu Loschwitz beendet.

Auch der „Bund Deutscher Frauenvereine“ (1894 gegr.) hatte seine Auflösung schon Mitte März 1933 vollzogen und den Einzelverbänden „die eigene Freiheit“ erteilt. Begründet wurde die Auflösung mit § 726 des BGB, Gesellschaften: „ Die Gesellschaft endigt, wenn der vereinbarte Zweck erreicht oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist“.
In der Mitteilung an den „Stadtbund der Dresdner Frauenvereine“ (1918 gegr.) stand: „es haben bereits große Ein- und Umgruppierungen stattgefunden … verschiedene Frauengruppen wurden zusammen mit männlichen Organisationen eingereiht … andere … schlossen sich der „Frauenfront“ oder dem „Ring nationaler Frauen“ an.
Daraufhin löste sich der Stadtbund Dresden am 25. 3.1933 ebenfalls - mit gleicher Begründung: „nach § 726 BGB bleibt uns nur die Auflösung“ -  einstimmig auf [17].

Nicht unerwähnt sollte in diesem Zusammenhang die Lehrerin Katharina Scheven (1861 – 1922), die Namensgeberin der Loschwitzer Schevenstrasse, bleiben. Sie war Protagonistin des Stadtbundes Dresdner Frauenvereine und hatte zeitweise sogar den Vorstandsvorsitz inne. Auch wohnte sie ganz in der Nähe genau an der Loschwitzer Gemarkungsgrenze in Dresden – Neustadt, Angelikastrasse 21. Sie gehörte der SPD an und war für diese Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung [18].

Abschließend drängt sich der Gedanke auf, dass Frauen das kommende Unheil der nationalsozialistischen Herrschaft ab Januar 1933 am schnellsten erkannt und sofort mit großem Mut reagiert hatten.


Literatur
[1]  Diamant, Adolf, Chronik der Juden in Dresden, AGORA - Verlag, Darmstadt,1973
[2]  Welcker, Karl, Hrsg., Staats – Lexikon Bd. 7, F.A. Brockhaus, Leipzig, 1862
[3]  Gross, Reiner, John, Uwe ,Hrsg., Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 2, Konrad Theiss Verlag., Stuttgart, 2006
[4]  Pohle, Friedrich Wilhelm, Chronik von Loschwitz, Heft I bis VI, Albanus´sche Buchdruckerei, Cr. Teich, 1883-1886
[5]  Münzner, Eberhardt, Weinberge in Loschwitz, Elbhang - Kurier, Dresden, 2/2009
[6]  Bayrische Staatsbibliothek, Geyer und Scheven, www.deutsche-biographie
[7]  Ev. - Luth. Kirchg. Dresden – Loschwitz, Archiv I, Loc. X 44, 1852
[8]  Schneider, Karl, Hrsg., Geschlechterrollen in der Geschichte …, LIT Verlag  Münster, 2004
[9]  Ev. - Luth. Kirchg. Dresden – Loschwitz, Archiv I, Loc. X 49, 1874
[10] Köhne, Rolf, Die Albrechtsschlösser zu Dresden Loschwitz, Hellerau-Verlag, Dresden, 1992
[11] Künstler am Dresdner Elbhang, I/II, Elbhang-Kurier-Verlag, Dresden,1999/2007
[12] Ev. - Luth. Kirchg. Dresden – Loschwitz, Archiv I, Loc. X 45, 1869 - 1876
[13] Ev. - Luth. Kirchg. Dresden – Loschwitz, Archiv I, Loc. XX 15, 1870 - 1884
[14] Ev. - Luth. Kirchg. Dresden – Loschwitz, Archiv I, Loc. XX 16, 1871 - 1925
[15] Amtsgericht Dresden, Grundbuchblatt Nr. 207 für Loschwitz, 1838 - 1968
[16]  Ev. - Luth. Kirchg. Dresden – Loschwitz, Archiv I, Loc. X 50, 1892 - 1934
[17] Verein z. Erforschung Dresdner Frauengeschichte, Die Auflösung des Stadtbundes der Dresdner Frauenvereine, 1997 , Stadtarchiv Dresden 13.57
[18] Hillen, Barbara, Scheven, Katharina, Neue Deutsche Biographie 22, www.deutsche-biographie.de
[19] Krug, Paul Hermann, Hrsg., Zeitschr. Verwaltungs -Praxis und Gesetzgebung, Kgr.Sa, Roßberg`sche Buchhandlung Leipzig, 1868
[20] Schilke, Iris, in Dresdner Hefte, Nr.62, 2000, 18. Jg., Dresdner Geschichtsverein e.V.


Biografisches zur Loschwitzer Gründer- und Spenderfamilie Geyer

8. Emilie Geyer – Die „Schenkgeberin“ der Kinderbewahranstalt
(Originaltexte in Kursivschrift)
Frau Emilie Adolphine Geyer, geb. von Geusau – Trebra (* um 1795), war die Gründerin des Frauenvereines (1850) und der Kinderbewahranstalt (1865) in der Landgemeinde Loschwitz bei Dresden.
Sie kaufte 1864 für die damals beachtliche Summe von 2800 Talern das Grundstück, Haus und Garten (heute die noch original erhaltenen zwei Gebäude Friedrich – Wieck – Strasse 7 und den Garten heute Fidelio – F.- Finke – Strasse 3, s. Bilder 1 und 2 im Abschnitt V.1.) und ließ Umbauten zur Einrichtung eines Kindergartens durchführen. Mit Schenkungsvertrag vom 1. Januar 1865 wurde dieses Eigentum des Frauenvereins.
Emilie Geyer war die Stieftochter des Oberberghauptmanns von Sachsen Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra (1740-1819) [1].
Eine Traueranzeige in der Zeitung - Allgemeiner Anzeiger der Deutschen - beinhaltet, dass am 16. Nov. 1813 der königl. sächs. Berghütten- und Stadtphysicus zu Freiberg, Dr. Ernst Ludwig Meuder (… der Gatte, der nur erst seit wenigen Monaten mit mir verbundene …), im 32. Jahre seines Lebens gestorben ist. Unterzeichnet mit Emilie Adolfine Meuder, geb. von Geusau, genannt von Trebra, Witwe (geb. um 1795 ?.). Hier klärt sich, wo der ungewöhnliche zweite Teil „von Trebra“ des Geburtsnamens herstammt. Ein schwerer Schicksalsschlag (… Er unterlag den edlen Anstrengungen, … die ihm sein Beruf … in diesem verhängnisvollen Jahre zur Pflicht gemacht hatte …[2]) für die jung verheiratete Frau in Zeiten der napoleonischen Kriege (26. Aug. 1813 Schlacht bei Dresden, 13. Okt. 1813 Völkerschlacht bei Leipzig).
Von Trebra war 1766 der erste Student an der 1765 gegründeten Bergakademie zu Freiberg, seit 1767 Bergmeister in Marienberg, danach Berghauptmann in Zellerfeld (Harz) und seit 1801 Oberberghauptmann für ganz Sachsen, wozu auch die Leitung der Bergakademie, der ältesten Bergakademie der Welt, gehörte. 1805 starb seine Frau Auguste Sophie von Hartitzsch. Nach kinderloser Ehe nahm er Eleonore Erdmuthe von Gersdorf, gesch. von Geusau (gehörte zum Weimarer Goethekreis [3]), mit vier Kindern zur Frau [1].

In Langenrinne bei Freiberg hatte Emilie Geyer ihre Mutter bis zu ihrem Tod am 18. Dezember 1844 aufopferungsvoll gepflegt. Dazu schrieb die Mutter, Frau Oberberghauptmann von Trebra, im Testament vom 9. Dezember 1844 „ … dass meine liebe Tochter Emilie verehel. Geyer allhier (in Langenrinne), die mich so viele Jahre und mit so vieler Beschwerde und doch so großer kindlicher Liebe gewartet und versorgt …“  [4].

Der Gèyer`sche Grundbesitz in Loschwitz lag im Weinbergsgelände am Stadtweg Ecke zum Raken (heute Schillerstraße12, Leonhardistrasse 1) [5 u. 6], neben dem Besitz von Joseph Hermann (1800-1869) [6].
Hier ist Emile Adolfine in zweiter Ehe mit dem Oeconomierat (landwirtschaftlicher Titel) Karl Friedrich Otto Geyer verheiratet [8].
Sein Wirkungsort als Abgeordneter war die Landgemeinde Langenrinne bei Freiberg, heute Ortsteil Zug - Langenrinne von Freiberg.
In Freiberg oder Langenrinne lernten Otto und Emilie Geyer sich wahrscheinlich kennen.
Im Archiv der ev. luth. Loschwitzer Kirche in Dresden sind Schriftstücke vorhanden, auf denen 1867 an den Bedingungen des Schenkungsvertrages von 1865 Änderungen von Frau und zusätzlich auch von Herrn Geyer (… hat …  seine ehemännliche Zustimmung ausgesprochen; obwohl er am Schenkungsvertrag von 1865 nicht beteiligt war) beurkundet wurden, bei denen nach den Unterschriften mit vollem Namen jeweils „von Oberzodel“ steht [8]. Es handelt sich um den Ort Oberzodel (füher „bei Penzig“ in Schlesien - poln. Pieńsk), der heute im Landkreis Görlitz, Gemeinde Neißeaue liegt.

Das ehemalige Geyer`sche Anwesen 1870 am Raken (-weg, heute Leonhardistraße 1)
Das ehemalige Geyer`sche Anwesen 1870 am Raken (-weg, heute Leonhardistraße 1)

In Oberzodel haben Geyer`s sicher von 1867 an ihren Lebensabend verbracht. Nachdem 1872 Otto Geyer im Alter von 77 Jahren verstorben war, machte 1873 Emilie Geyer dem Frauenverein zu Loschwitz abermals eine Schenkung von 200 Thalern.

Das Engagement für Kinder in Loschwitz und auch für die Bedürftigen der gesamten Gemeinde, das ungewöhnliche Beibehalten des Namens ihres kinderlosen Stiefvaters, Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra, im Geburtsnamen und dass sie ihre Mutter bis zum Tod pflegen konnte, lässt vermuten, dass Geyers ebenfalls kinderlos waren und dass Emilie zu ihrem Stiefvater ein sehr liebevolles Verhältnis gehabt haben muss, bzw. ihn sehr verehrt hat.

9. Otto Geyer – Ein Landwirt von europäischem Rang
ppDer Abgeordnete des Sächsischen Landtages Karl Friedrich Otto Geyer (1795 - 1872) Ökonomierat und Rittergutsbesitzer, wurde am 7.11.1795 in Dresden geboren [9].
    Von 1850 bis 1867 wohnte er in Loschwitz und besaß das damals schlossartige und noch heute existierende, nicht denkmalsgerecht umgebaute Gebäude und Weinberggrundstück an der heutigen Leonhardistraße 1 (Bild in Abschnitt IV.8.) [5, 6, 7].

An folgenden Landtagen hatte er als Mitglied der 2. Kammer teilgenommen [10]:
    2. Ordentlicher Landtag (1842-1843)
    3. Ordentlicher Landtag (1845-1846)
    Außerordentlicher Landtag (1847)
    Außerordentlicher Landtag (1848)
    6. Ordentlicher Landtag (1850-1851)
In den Landtagsunterlagen war als „Wirkungsort“ Langenrinne (bis 1839 Ortsteil von Freiberg i. Sa., heute Landkreis Mittelsachsen) angegeben.

   Sein Vater war Christian Friedrich Geyer (genannt 1797 bis 1812 [11]), Professor der Geschichte und Moral am Institut für die Königlichen Silberpagen (Edelknaben zur Erlernung ritterlicher Wissenschaften und Übungen [12], auch Pagen - Akademie genannt). Er wohnte 1799 in Dresden „Hinter der Frauenkirche“ Nr. 5 [11].
    Da der Sohn sich sehr für die Landwirtschaft interessierte, ging er 1810, 15jährig, nach Langenrinne im Süd -Osten von Freiberg, in die Lehre. Die Winter nutzte er zur wissenschaftlichen Ausbildung in Dresden [13] wahrscheinlich am Pageninstitut bei seinem Vater oder an der 1811 von Johann Heinrich Cotta (1763-1844) neu eingerichteten Forstlehranstalt in Tharandt [14].
Der Zeitgenosse Geyers, Julius Löbe (1805 -1900), schrieb 1878 [13]: Nach dreijähriger Ausbildung „übernahm er eine Verwalterstelle in dem Kammergute Wendelstein bei Merseburg und kehrte 1816 nach einer landwirthschaftlichen Reise zur Verwaltung nach Langenrinne zurück und erwarb einige Jahre später diese ihm liebgewordene Wirkungsstätte zu eigenem Beruf. Bisher war dieses Gut nach der gewöhnlichen gebirgischen Wirtschaftsweise eingerichtet gewesen. Mit klarem Blick erkannte er die Mängel derselben, und mit sicherer Erkenntniß und kluger Vorsicht verbesserte er die Einrichtungen und hob er die Erträge so, daß Langenrinne bald einen Ruf als Musterwirthschaft auch nach außen erwarb. Selbst aus der Ferne kamen Besucher und Lernbegierige, um sich unter Gejer's (richtig Geyer) Leitung zu bilden“ [13].
Ein weiterer Zeitgenosse Geyers, der ebenfalls zu den Loschwitzer Persönlichkeiten gehörende, der bekannte deutsche Dichter und Dramatiker Theodor Körner (1791-1813), ließ im Mai des Jahres 1813 im Kammergut Wendelstein - eine der herrlichsten Domänen in Sachsen- als Führer einer kleinen Reitertruppe sämtliche Pferde des Gestüts als willkommene Beute für die Lützow’sche Freischar entführen [15]. Das könnte sogar während Geyers Anwesenheit erfolgt sein.
Körners Vater besaß in Loschwitz Weinberg und Weinbergshaus.
    Otto Geyer war auch Mitglied der 1816 in Dresden gegründeten „Ökonomischen Gesellschaft im Königreich Sachsen“ [13, 16], deren erster Direktor, der Kabinettsminister und Unternehmer, Graf Detlef von Einsiedel (1773 – 1861), der von 1801 bis 1811 ebenfalls in Loschwitz den o.g. Geyer`schen und von     1802 bis 1808 auch noch den benachbarten, den später von Kügelgen`schen Weinberg (heute Leonhardistraße 3) besessen hatte [17].
Auf Anregung und Basis dieser Gelehrtengesellschaft, die sich anfangs vorwiegend um die Einführung neuer Technologien zur Erhöhung landwirtschaftlicher Erträge bemühte, haben sich weitere Bildungseinrichtungen entwickelt.
Für seine hervorragenden Leistungen wie Vorträge, Veröffentlichungen und praktischen Arbeiten hat Geyer den landwirtschaftlichen Ehrentitel Ökonomierat erhalten.
1837 und 1840 (2. Auflage) erschien seine preisgekrönte Schrift „Über Verbesserung der Bauergueter im - Sächsischen Erzgebirge“ [18], die er als Gewinner einer Ausschreibung angefertigt hatte.
Als Krönung seines Lebenswerkes wurde 1866 von der „Oekonomischen Gesellschaft im Königreich Sachsen“, deren Ehrenmitglied er inzwischen geworden war, seine zahlreichen Schriften als Buch "Aus der Erfahrung. Vorträge und Bemerkungen über verschiedene Gegenstände der Volks- und Landwirthschaft mit besonderer Beziehung auf das Königreich Sachsen und die daselbst übliche Gebirgswirthschaft" [19] herausgegeben.
    Hier schrieb er u. a. über die Guanodüngung im Felde und seine eigene „erste Verwendung im Großen auf unserem Continent“ im Jahre 1839… „nur durch diese ist jederzeit soviel Dung vorhanden als erforderlich“ und das es dadurch möglich ist „den gesamten Bedarf Sachsens an Brodfrucht zu erzeugen … auch diejenigen 1 200 000 Scheffel deren wir … jährlich … vom Auslande bedurften“ [19].

Wie in Abschnitt IV.8. erwähnt, war Geyer 1850 mit seiner Frau Emilie Adolphine der Gründerin des Frauenvereins und der Kinderbewahranstalt in Loschwitz auf dem heutigen Grundstück Leonhardistrasse 1 ansässig [6, 7]. Von seinem Nachbarn, dem bekannten Bildhauer Joseph Herrmann (1800-1869) durfte er das Trinkwasser aus dessen niederem Brunnen am Stadtweg, der heutigen Schillerstraße, mit nutzen [5].
In Dresden hatten Geyers außerdem von 1851 bis 1869 eine Winterwohnung und die „Geyer`sche Guanoniederlage“ in der Kleinen und später in der Großen Packhofstraße [11].

Ihren Lebensabend verbrachten Geyers auf ihrem Besitz, dem Rittergut in Oberzodel (früher b. Penzig in Schlesien, poln. Pieńsk), heute Landkreis Görlitz, 02829 Gemeinde Neißeaue, Dorfstraße. Hier verstarb Carl Friedrich Otto Geyer, Ritter des „Königlich Sächsischen Verdienstordens“, am 4. Juni. 1872.

Literatur zu 8.und 9.
[1]  Trebra, Heinrich von, Bergmeister … in Marienberg, Cratz u. Gerlach, Freyberg, 1818
[2]  Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Nr. 338, Gotha, 28. Dez. 1813
[3]  Bode, Wilhelm, Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen, Bd. III , Aufbau-Verlag, Berlin u. Weimar, 1979, S. 461.
[4]  Testament, Frau Oberberghauptmann v. Trebra, Sä. Hauptstaatsarchiv Dresden, Sig.10347, Nr.4 u.5, 1844.
[5]  Pohle,  Friedrich Wilhelm, Chronik von Loschwitz, Heft I bis VI, Albanus´sche Buchdruckerei, Cr. Teich, 1883 -1886.
[6]  Münzner, Eberhardt, Weinberge in Loschwitz, Elbhang - Kurier, Dresden, 2 / 2009, S. 11.
[7]  Kotzsch, August, Foto-Haus Salmuth v 1870, Elbhangkurier 2008/10 S.8.
[8]  Ev.-Luth. Kirchg. Dresden-Loschwitz, Kirchenarchiv I, Loc. X, 48, 1848- 1866.

[9]  Inst. f. Sächs. Geschichte u. Volkskunde, Geyer, Karl Friedrich Otto, Sächsische Biografie, Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, http://saebi.isgv.de.
[10] Historische Protokolle d. Sächs. Landtages, 1842 bis 1853, SLUB Dresden-digital
[11] Adressbücher von Dresden, 1702 bis 1944, Sächsische Landesbibliothek -Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
[12] Ludovici, Carl Günther, Hrsg., Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste …, Johann Heinrich Sedler, Halle u. Leipzig, 1734
[13] Löbe, Gejer, Karl Friedrich Otto, in Allg. Deutsche Biographie, 1878, www.Dt.Biographie, Bayr. Staatsbibliothek.
[14] Gross, Reiner, John, Uwe (Hrsg), Geschichte der Stadt Dresden, Bd. 2, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 2006.
[15] Grössler, Hermann, Der Wendelstein, Verlag Johannes, Freyburg (Unstrut), 1904.
[16] Löbe in, Jahrbücher für Volks- und Landwirthschaft der Oekonomischen Gesellschaft im Königreich Sachsen, X. Band, 4. Heft.
[17] Wehnert, Emil, Hist. Häuserbuch für Loschwitz, 1968/69, Stadtarchiv, Dresden, Sign.17.2.6, Nr. H8.
[18] Geyer, Carl, Verbesserung der Bauergueter im Sächsischen Erzgebirge, Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig, 1837.
[19] Geyer, Carl, Aus der Erfahrung. … Gegenstände der Volks- u. Landwirthschaft, Verlag Ernst am Ende, Dresden, 1866.